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Betriebsverfassung Management/Organe

Interim-Management: Rechtlich kein Problem?

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Interims-Management

Der befristete Einsatz externer Führungskräfte auf Zeit in einem fremden Unternehmen, kurz Interim-Management, stellt schon seit einigen Jahren eine wichtige Form des flexiblen Personaleinsatzes in der betrieblichen Praxis dar. Dementsprechend vielfältig sind die möglichen rechtlichen Konstellationen, auf deren Grundlage Interim-Manager in der Praxis in einem fremden Unternehmen tätig werden. Weitgehend ungeklärt sind hingegen die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen dieser Form des Personaleinsatzes. Der vorliegende Beitrag soll Arbeitgebern einen aktuellen Überblick über die wesentlichen betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sowie Antwort(-versuche) geben.

Verschiedene Vertragsgrundlagen möglich

Ein Interim-Manager verfügt üblicherweise über eine hohe Qualifikation und bekleidet im eingesetzten Unternehmen eine Position auf Zeit. Von „regulär“ befristeten Arbeitsverhältnisses unterscheidet sich diese Beschäftigung auch dadurch, dass Interim-Manager häufiger hierarchisch höher angesiedelte vakante Positionen ausfüllen, ihr Einsatz in besonderem Maße personenbezogen ist und sie häufig für besondere Projekte eingesetzt und nicht als Personalreserve für Kapazitätsengpässe vorgehalten werden. Anders als der klassische Unternehmensberater werden Interim-Manager in das jeweilige Unternehmen integriert und üben Weisungsrechte gegenüber den dort tätigen Mitarbeitern aus. Dies kann auf Grundlage verschiedener Vertragsgrundlagen geschehen, wobei zwei Alternativen mit Abstand am beliebtesten sind: Nach dem sog. angelsächsischen Modell wird der Interim-Manager auf Grundlage eines freien Dienstverhältnisses tätig, wobei er selbst entweder Freelancer oder Inhaber einer Ein-Mann-Gesellschaft ist. Dagegen erfolgt der Einsatz beim „niederländischen Modell“ über die Einschaltung einer auf den Einsatz von Interim-Managern spezialisierten Vermittlungsagentur. Der Interim-Manager ist dabei Arbeitnehmer der Agentur und wird als Leiharbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung im fremden Unternehmen eingesetzt. Diese Besonderheiten haben zur Folge, dass das Betriebsverfassungsrecht bei der Frage der Beteiligungsrechte des Betriebsrats oftmals keine befriedigenden Antworten liefert.


Die wesentlichen betriebsverfassungsrechtlichen Fragen

Neben betriebsverfassungsrechtlichen „Nebenkriegsschauplätzen“, etwa Fragen in Bezug auf die Einordnung als leitender Angestellter gem. § 5 Abs. 3 BetrVG, Berücksichtigung bei den Schwellenwerten nach §§ 9, 38 BetrVG oder dem aktiven und passiven Wahlrecht sind insbesondere die personellen und sozialen Mitbestimmungsrechte des beim Einsatzbetrieb gewählten Betriebsrats klärungsbedürftig. So stellt sich die Frage, ob der Betriebsrat der Einstellung des Interim-Managers im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG zustimmen muss und ob die Übertragung der Weisungsbefugnisse auf den Interim-Manager eine zustimmungspflichtige Versetzung der betroffenen Mitarbeiter ist. Schließlich bereitet regelmäßig die Anwendung der im Einsatzbetrieb bestehenden Betriebsvereinbarungen Probleme.

Betriebsrat muss der Einstellung zustimmen

Interim-Manager werden regelmäßig in den Einsatzbetrieb eingestellt, so dass der dort bestehende Betriebsrat gem. § 99 Abs. 1 BetrVG zustimmen muss. Zum einen kommt es hierfür nicht auf das Rechtsverhältnis, in dem Interim-Manager zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen, an (BAG v. 28.11.1989 – 1 ABR 90/88). Zum anderen werden Interim-Managern sowohl bei einem Einsatz als „freier Mitarbeiter“ als auch bei Tätigkeit als Leiharbeitnehmer fachliche Weisungsrechte übertragen und in der Regel auch in den Betrieb eingegliedert, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes zu verwirklichen.

Risiko: Zustimmungspflichtige Versetzung

Auch die Änderung der Berichtslinie auf den Interim-Manager kann für die betroffenen Mitarbeiter eine zustimmungspflichtige Versetzung im Sinne von § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 BetrVG sein. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt immer dann vor, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit als eine „andere“ anzusehen ist. (BAG v. 28.08.2007 – 1 ABR 70/06). Dies zugrundegelegt wird allein der Austausch der Person des Vorgesetzten keine Versetzung der Mitarbeiter begründen. Wenn mit der Einstellung des Interim-Managers indes eine Änderung der Stellung der Arbeitnehmer innerhalb der betrieblichen Organisation verbunden ist, kommt dies durchaus einer Versetzung gleich. Ob dies der Fall ist, hängt maßgeblich von den Kompetenzen ab, die auf den Interim-Manager übertragen werden sollen: Je stärker die übertragenen Weisungsrechte das vertragliche Grundverhältnis der Arbeitnehmer betreffen, desto eher wird sich die Maßnahme für die Mitarbeiter als zustimmungspflichtige Versetzung darstellen.

Anwendung von fremden Betriebsvereinbarungen

Schließlich ist aus Arbeitgebersicht problematisch, dass Interim-Manager unbeabsichtigt in den Geltungsbereich von für sie günstigen Betriebsvereinbarungen geraten können, etwa bei der Zahlungen von Boni und Provisionen oder bei Sozialplanabfindungen. Diese ungewollte Rechtsfolge kann am sichersten durch eine Einstellung als „freier Mitarbeiter“ vermieden werden.

Praxisempfehlung

Gerade in betriebsverfassungsrechtlicher Sicht birgt der Einsatz von Interim-Managern zahlreiche Besonderheiten. Vor dem Hintergrund der im Raume stehenden Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der Tendenz in der Rechtsprechung zur Stärkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats beim Einsatz von Leiharbeitnehmern werden die betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen voraussichtlich noch weiter in den Blickwinkel der Praxis geraten. Arbeitgebern, die vakante Führungspositionen mit Fremdpersonal besetzen wollen, sollten die Mitbestimmungsrechte ihrer Arbeitnehmervertretungen frühzeitig prüfen und die zuständigen Betriebsräte vorsorglich um Zustimmung zur Einstellung und Versetzung bitten. Um derartige Mitbestimmungsrechte zu vermeiden, müssten Interim-Manager mit Rechten und Befugnissen eines leitenden Angestellten gem. § 5 Abs. 2, 3 BetrVG ausgestattet und nach Möglichkeit so wenig wie möglich in die betriebliche Organisation eingliedern werden.

Mehr zum Thema finden Sie in dem aktuellen Beitrag von Oltmanns/Fuhlrott, Der Betrieb 2016, S. 591 ff., online abrufbar auf dem Onlineportal der Zeitschrift (€).

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