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Kündigung, allgemein

„Kinderschänder raus“ als Kündigungsgrund?

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Lohngerechtigkeit

Die nachhaltige Weigerung erheblicher Teile der Belegschaft, mit einem wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Arbeitnehmer nach verbüßter Haftstrafe zusammenzuarbeiten, kann nach wiederholten Arbeitsniederlegungen von Kollegen den Ausspruch einer sog. „Druckkündigung“ durch den Arbeitgeber rechtfertigen. Eine solche Druckkündigung eines verurteilten Kinderschänders ist rechtmäßig; das hat das LAG Bremen mit Urteil vom 17.06.2015 (Az. 3 Sa 129/14) entschieden.

Wie ist die Entscheidung zu bewerten?

Die Entscheidung des LAG Bremen ist zu begrüßen, gibt sie doch dem Arbeitgeber ein notwendiges Handlungsinstrument an die Hand, um Konflikte innerhalb der Belegschaft wie im geschilderten Fall im Interesse des Betriebsfriedens zu lösen. Die Entscheidung ist auch deshalb bedeutsam, weil die Druckkündigung durch ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers bedingt war, welches nur ausnahmsweise zur Rechtfertigung einer Kündigung herangezogen werden kann. Wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles hat das LAG Bremen die Revision zum BAG zugelassen. Aufgrund des Urteils des LAG ist der Arbeitgeber allerdings derzeit nicht verpflichtet, den gekündigten Hafenarbeiter zu beschäftigen (siehe schon unsere ausführliche Kommentierung im Handelsblatt Rechtsboard).


Varianten der Druckkündigung

Von einer Druckkündigung spricht man, wenn Dritte vom Arbeitgeber unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Typische Fälle sind die Drohung der Belegschaft mit Arbeitsniederlegungen oder Massenkündigungen und die Androhung des Abbruchs der Geschäftsbeziehung durch Kunden. Hierbei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: Ist das Verlangen des Dritten durch das Vorliegen eines verhaltensbedingten oder personenbedingten Kündigungsgrundes objektiv gerechtfertigt, liegt der Kündigungsgrund nicht in der Drucksituation, weswegen von einer „unechten“ Druckkündigung gesprochen wird. Fehlt es hingegen an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Kündigung, kommt eine sogenannte „echte“ Druckkündigung in Betracht.

Das BAG qualifiziert die Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung, prüft diese jedoch anhand besonderer Voraussetzungen, welche das in § 626 Abs. 1 BGB normierte Kriterium der „Unzumutbarkeit“ der Weiterbeschäftigung in den Mittelpunkt stellen. Diese Rechtsprechung bildet ein Einfallstor für einzelfallbezogene Billigkeitserwägungen, wie plakativ die obige Entscheidung des LAG Bremen zur Druckkündigung eines „Kinderschänders“ zeigt. Die daraus resultierenden Unwägbarkeiten lassen sich vermeiden, wenn man die Druckkündigung konsequent anhand von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG prüft. Dergestalt lassen sich auch solche Fälle ohne Systembruch lösen, in denen das Entlassungsverlangen auf ein außerdienstliches Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist oder durch nach dem AGG pönalisierte Motive veranlasst ist.

Mehr zum Thema

Zur Vertiefung verweisen wir auf den ausführlichen Grundsatzbeitrag von Vollstädt/Bergwitz, in der Fachzeitschrift „Der Betrieb“ erschienen ist („Druckkündigung – Notstand oder Selbstjustiz? – Plädoyer für die Prüfung der Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung“, DB 2015, 2735 ff., online abrufbar [€] als Veröffentlichung DB1159839).

Dr. Oliver Vollstädt 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Oliver Vollstädt berät Arbeitgeber und Top-Füh­rungs­kräfte in allen Fragen des Arbeits­rechts. Sein besonderes Know-how liegt bei kol­lek­tiv­recht­li­chen Themengebieten mit den Schwer­punkten Restruk­tu­rie­rungsberatung, Ver­hand­lung von Sozi­al­plä­nen und haustariflichen Gestal­tun­gen. Ferner ist Oliver Vollstädt anerkannter Experte in arbeits- und daten­schutz­recht­li­chen Fragen zum Einsatz von IT-Systemen und neuen Medien am Arbeits­platz. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Datenschutz".
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